Vor der Saison tauschte Westfalenligist Borussia Emsdetten die halbe Mannschaft aus. Umso wichtiger wäre mit den vielen Neuen im Sommer eine gute Vorbereitung gewesen. Doch die fiel mit ständig knappem Kader mau aus. Machte sich Trainer Roland Westers damals Sorgen, dass das Umbau-Projekt ganz schlimm nach hinten losgehen könnte? „Ja klar. Natürlich habe ich mir Gedanken gemacht, dass es böse enden könnte“, sagt er ehrlich. „Wir wussten ja nicht: Wie gut funktionieren die Mechanismen? Wie halten die Neuzugänge mit? Was ist mit dem Mannschaftsgefüge, wie geht das Team mit Niederlagen um?“
Westers bleibt extrem vorsichtig
Elf Spieltage sind mittlerweile rum. Zwischenfazit: Borussias Umbruch ist ein Erfolgsmodell. Tabellenplatz 5, gemeinsam mit FSC Rheda die beste Defensive der Liga (je 12 Gegentore). Und doch bleibt Westers, der in der Vorsaison lange um den Klassenerhalt bangen musste, sich treu, warnt gebetsmühlenartig und trotz zehn Punkten Vorsprung vor einem Abrutschen unter den Strich. „Alles andere wäre fahrlässig. Wir wissen genau, wo wir herkommen, was wir letzte Saison durchgemacht haben. Und was die Mannschaft in jedem Spiel investieren muss.“ Man dürfe keinen Millimeter nachlassen. „Du musst ja auch mal gucken, wie wenig Verletzungspech wir bisher hatten.“ Sollte es mal mehrere Leistungsträger erwischen, dann bleibe abzuwarten, wie der Kader das kompensiert bekommt. „Aber ich will nicht den Teufel an die Wand malen.“
„Nimmst du Drogen?“
Dass sein Team nur drei Zähler hinter Platz eins liegt, „ist gut, ist schön“, findet Westers. „Wir genießen die Situation.“ Was ihn aber eher erstaunt: „Hätte mir vor der Saison einer gesagt, dass wir acht Punkte vor Kinderhaus (einer der Titel-Favoriten; d. Red.) liegen, den hätte ich gefragt: Hast du was geraucht, nimmst du Drogen?“
Unfassbar: Am übernächsten Sonntag hat Borussia gegen Peckeloh vermutlich das dritte Heimspiel in Folge gegen den aktuellen Spitzenreiter. „Das ist wirklich ungewöhnlich“, findet auch Westers. „Wäre schön, wenn nach dem Spiel auch zum dritten Mal der Tabellenführer wechselt.“ Rödinghausen II (2:2) und jetzt am Sonntag Hiltrup (1:0-Sieg) brachte Borussia ja schon zu Fall. Für Hiltrups Super-Offensive war es übrigens das erste Saisonspiel ohne eigenen Treffer.
Ist das ein Seitenhieb gegen die Ex-Borussen?
Auf der anschließenden Pressekonferenz lobte Westers einmal mehr die gegenüber der Vorsaison deutlich verbesserte Mentalität seiner Truppe. Ist das nicht gleichzeitig ein Seitenhieb gegen die Jungs, die im Sommer gegangen sind? „Weiß ich nicht“, antwortet Westers, „so ist es ja auch nicht gemeint.“ Vielmehr habe sich im alten Kader mit etlichen langjährigen Borussen eine gewisse Abnutzung breit gemacht. „Da kann ich mich selbst ja auch dazuzählen“, sagt Westers, der mit zweijähriger Unterbrechung seit 2016 Chef ist. Er erklärt: „Wir brauchten hungrige Spieler. Jungs, die richtig, richtig Bock auf Fußballspielen haben. Und genau das sieht man jetzt in jedem Training. Auch unsere alteingesessenen Spieler wie Henni Ohde, Kai Deradjat, Henrik Laumann und Vincent Schulte registrieren, wie viel Zug drin ist.“
„Das Glück des Tüchtigen“
Dass das Feuer wieder derart entfacht ist – keine Selbstverständlichkeit! Westers über seine Neuzugänge: „Dass Jule Hölscher so vorangeht, wie er es tut, dass er menschlich und fußballerisch Qualität erster Güte hat, das wussten wir vorher. Er war aber der einzige, bei dem wir ganz genau wussten, was wir kriegen. Dass auch die anderen alle so funktionieren, da ist vielleicht auch ein Stück weit Glück dabei. Nennen wir es das Glück des Tüchtigen, wenn man bedenkt, wie viele Gespräche wir im letzten Jahr geführt haben.“