Coach

05.12.2022

3. Dezember 2022 - 10:00 Uhr

von Dirk Möllers

Foto: Thomas Strack


Vor zwei Wochen machte Hans-Dieter Jürgens (l.) mit Borussia Emsdetten beim FC Eintracht Rheine Station. Beim Gedanken an den Delsen-Club beschleichen ihn gemischte Gefühle.

Lange war es ruhig um ihn geworden, nachdem er im April 2014 bei Emsdetten 05 die Trainerbank räumte. Im vergangenen Sommer tauchte Hans-Dieter Jürgens dann phönixgleich wieder bei Borussia Emsdetten auf, wo er den Trainerposten für den kurzfristig geschassten Steffen Molitor angeboten bekam und übernahm.

Seitdem ist der seit 2019 pensionierte Schulleiter wieder dort, wo er vor fast vier Jahrzehnten 1985 beim SuS Legden anfing. Nach Stationen bei Eintracht Ahaus, SG Burgsteinfurt, Borussia Emsdetten, Eintracht Nordhorn und SuS Neuenkirchen heuerte er im Januar 2008 beim FC Eintracht Rheine an. Zwar klappte weder der über Platz eins bis vier mögliche Regionalliga-Aufstieg noch die Qualifikation für die neue NRW-Liga.

Nach dem Abstieg in die Verbandsliga blieb Jürgens dennoch im Amt und stabilisierte die mit dem Duo Frederick Telsemeyer und David Ruwe verstärkte Mannschaft, ehe der damalige FCE-Vorstand um Peter Vorreiter im Dezember 2008 völlig überraschend bekanntgab, den Vertrag mit Jürgens zum Saisonende nicht zu verlängern und stattdessen U 19-Coach Ullrich Peltner das Vertrauen zu schenken. Ohne öffentlich aufzumucken, schluckte der Burgsteinfurter die bittere Pille und beendete die Saison auf Platz zwei. Mit den Worten „Ich gehe in unvollendeter Mission“ nahm Jürgens seinen Hut und zog weiter Richtung Preußen Borghorst.

Beim SV Mesum war der heute 69-Jährige noch nicht aktiv. Im Hassenbrock macht er als Trainer von Borussia Emsdetten am Sonntag seine Aufwartung (Anstoß 14.30 Uhr). Im Vorfeld des Derbys sprach MV-Redakteur Dirk Möllers mit Jürgens über seine Rückkehr auf die Bank, den Wandel im modernen Fußball und seine Erinnerung an die damalige Trennung vom FCE.

Vor 37 Jahren begann Ihre Trainerkarriere beim SuS Legden: Was war in fast vier Jahrzehnten die wesentlichste Veränderung am Fußballtrainer Hans-Dieter Jürgens?

Hans-Dieter Jürgens: Also ich habe eigentlich meine Art so ziemlich durchgezogen, natürlich mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Je nachdem, in welchen psychischen oder sozialen Konstellationen sich meine Mannschaften befanden. In der Kreisliga kann man nicht so arbeiten wie in der Oberliga bei Eintracht Nordhorn, wo es sicherlich professioneller zuging. Wir waren auf dem Sprung in die 3. Liga. Da arbeitete ich autoritärer, während es in der Kreisliga kameradschaftlicher zuging.

>Nach den vier Jahren von 1995 bis 1999 bei Borussia Emsdetten sind Sie zum zweiten Mal am Teekotten. War noch vieles beim Alten oder haben Sie einen runderneuerten Verein vorgefunden?

Jürgens: Es gibt sowohl den Wandel als auch das Konstante. Was blieb, ist das sehr angenehme Verhalten innerhalb des Vereins, das Familiäre. Die Entscheidungsträger sind ähnlich kooperativ wie vor 20 Jahren. Insgesamt hat sich der Fußfall verändert und weiterentwickelt. Bei den Trainerfortbildungen gibt es mittlerweile ganz ander Schwerpunkte. Manchmal frage ich, ob die Relevanz neuer Inhalte nicht überbewertet wird. Ein Beispiel: Der Bruder meiner Schwiegertochter spielt in der U 17 eines Proficlubs. Bei einem Familientreffen erzählte er mir, dass sein Fettgehalt, der jede Woche gemessen wird, zu hoch gewesen sei. Deshalb habe er beim nächsten Spiel nur auf der Bank gesessen. Wenn dann jemand für ihn spielt, der nicht seine Qualität hat, dann frage ich mich, ob die Relevanz solcher Kriterien nicht überbewertet wird. Das ist ein Beispiel, wie sich die Paradigmen verschoben haben.

Aktuell steht Ihr Team Borussia Emsdetten auf Rang neun der Westfalenliga. Entspricht das dem Leistungsstand der Mannschaft?

Jürgens: Ich glaube, dass die Liga sehr ausgeglichen ist. Auch die Mannschaften hinter uns haben keine schlechte Qualität und die Teams vor uns sind nicht so viel besser. Gegen Spitzenreiter Erkenschwick spielen wir unentschieden und in Hiltrup verlieren wir mit 0:5. Das zeigt: Man muss jeden Spieltag die optimale Form abrufen, sonst ist man auf verlorenem Posten.

Auffällig ist Borussias magere Offensivquote mit nur 19 Toren. Woran machen Sie das fest?

Jürgens: Bevor ich am Teekotten anfing, hatte ich eigentlich mit meiner Trainerlaufbahn abgeschlossen. Dann wurde ich überraschend angefragt. Im Zuge dieser Veränderung kamen vier Spieler nicht bzw. blieben nicht. Unter anderem Elias Strotmann, der ja auch einen Rückzieher machte und bei Mesum blieb. Aber alle Spieler haben mir versichert, dass ihre Entscheidung nichts mit meiner Person zu tun gehabt hätte. Wenn ich Elias vorne dabei gehabt hätte, hätten wir sicherlich einige Tore mehr geschossen. Gleiches gilt für Andi Heckmann, auch wenn er gerade verletzt ist. Mit seiner Kopfballstärke wäre er bei Standards sehr nützlich gewesen. Ich habe den Auftrag bekommen, die Mannschaft in der Liga zu halten. Da sind wir auf einem ganz guten Weg. Alles, was uns darüber hinaus gelingt, ist Luxus.

Wie läuft die Zusammenarbeit mit Co-Trainer Bodo Gadomski?

Jürgens: Hervorragend! Ich kenne ihn schon lange, Bodo war ja schon als Spieler von mir in meinen jungen Trainerjahren bei der SG Burgsteinfurt aktiv. Seitdem haben wir immer Kontakt gehalten. Bodo ist positiv-fußballverrückt. Ich wollte ihn dabeihaben, der Vorstand hat dem entsprochen und nun arbeiten wir sehr gut zusammen. Er ist ein fähiger Trainer, ich kann Vereinen nur empfehlen, sich vor der neuen Saison mit ihm zu beschäftigen. Mein Nachfolger Roland Westers arbeitet mit Leuten, die er über Jahre kennt, aber Bodo hat auch von sich aus gesagt, Co-Trainer könne er nur nur bei Siggi Wolters und bei mir sein. Aber er ist schon jemand, der Chefcoach sein muss.

Wie schätzen Sie das Potenzial des SV Mesum ein?

Jürgens: Mesum hat natürlich einen sehr gut aufgestellten Kader mit starken Leuten. Allen voran die Nummer 20, Chris Strotmann, der sticht sicherlich ein Stück weit heraus. Auch wenn das Team jetzt gerade bei Grün-Weiß Nottuln derbe einen auf die Mütze bekam, ist die Niederlage für uns kein Maßstab. Sie stehen in der Tabelle über uns und sind am Sonntag auch Favorit. Zumal wahrscheinlich auf Kunstrasen gespielt wird, da ist der SV Mesum natürlich im Vorteil.

Beim FC Eintracht Rheine mussten Sie im Sommer 2009 nach einer starken Saison und Platz zwei ihren Stuhl für Ullrich Peltner räumen. Haben Sie mit diesem für die Öffentlichkeit überraschenden Schritt inzwischen ihren Frieden gemacht?

Jürgens: Ach, damit habe ich auch damals schon meinen Frieden gemacht. Ganz einfach, weil ich als Trainer nicht bestimmen kann, wen der Vorstand als Trainer auf der Bank sitzen haben möchte. Nachvollzogen habe ich das damals nicht wirklich, denn es klappte alles gut. Es gab keine Veranlassung zu wechseln. Wir hatten die Saison als Zweiter beendet und ich hatte mir den Oberliga-Aufstieg auf die Fahnen geschrieben. Aber ich war letztlich nicht der Entscheidungsträger und habe Entscheidungen von Vorständen, auch wenn sie nicht nachvollziehbar waren, zu respektieren.

Pflegen Sie noch Kontakte nach Rheine oder zu ihren früheren FCE-Spielern?

Jürgens: Sehr begrenzt. David Ruwe schaute kürzlich bei einem Heimspiel von Borussia vorbei. Mit Brinki (Daniel Brink/d. Red.) bin ich bei Facebook befreundet. Michael Rintelen oder Marcus Fischer sehe ich öfter in Steinfurt oder im Ackerbürger (Gaststätte/d. Red.), wo ich relativ oft bin.

Gibt es noch einen Verein in der Region, der sie als Trainer reizen würde?

Jürgens: Vor dem Engagement bei Borussia hatte ich mit meiner Trainerlaufbahn eigentlich abgeschlossen. Wenn ich nun zum Saisonende ausscheide, kann ich den Job in Frieden aufgeben. Anderseits soll man ja niemals nie sagen. Gott sei Dank bin ich gesundheitlich noch auf der Höhe.

Sie werden nächstes Jahr 70 Jahre alt. Wie fühlen Sie sich und wie halten Sie sich fit?

Jürgens: Ich fühle mich absolut gut, sonst hätte ich die Aufgabe nicht annehmen können. Natürlich bin ich nicht mehr so fit wie mit 30 oder 40 Jahren. Sportliche Höchstbelastungen kann ich nicht mehr anpeilen. Neben Fußball mische ich in der Steinfurter Kommunalpolitik mit. In meinen drei Jahren als Pensionär habe ich das Gefühl von Langeweile noch nicht kennengerlernt.

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